Leipziger Volkszeitung

Karl Schurz – das Multitalent

War Karl Schurz A) ein Revolutionär aus dem Rheinland, B) ein Fluchthelfer in Spandau, C) ein Diplomat in Madrid oder D) ein US-General? Da hält Otto Normalschlau Hilfe suchend nach einem Joker Ausschau. Doch keine Sorge, Jauch würde so nie fragen. Denn jede Antwort wäre richtig. Wobei sich bei Schurz (1829 bis 1906) die Reihe noch fortsetzen ließe. Er war zum Beispiel auch Senator, Innenminister, Journalist, Rechtsanwalt …

„Der deutsche Amerikaner“ heißt die jüngst erschienene Biographie über die jenseits des Großen Teiches recht bekannte Geschichtsgestalt, deren Name der hiesigen Allgemeinheit wohl nur in Form von diversen Carl- oder auch Karl-Schurz-Straßen vertraut ist. Rudolf Geiger – 2003 als Chef des Völkerrechts-Instituts der Leipziger Uni emeritiert – hat die Lebensgeschichte aufgeschrieben. Nun steckt in einem Rechtsprofessor nicht unbedingt ein begnadeter Thriller-Autor. Doch wer die übliche Sprache von Juristen kennt, wird den Stil des Buches als geradezu packend empfinden. Zudem ist der Stoff selbst spannend genug.
Da ist von einem Bonner Studenten zu lesen, der in den Wirren der 1848er Revolution den Dienst bei den preußischen Truppen verweigert und sich auf die Seite der revolutionären Freischärler schlägt. Nach deren Niederlage entgeht der Mann auf abenteuerliche Weise der Gefangenschaft. Aus dem Exil kehrt Schurz mit falschem Pass zurück und verhilft einem Gefährten, der am Rande Berlins im Zuchthaus schmachtet, zur Flucht.

So geht es munter weiter: Schurz wandert in die Vereinigten Staaten aus, engagiert sich als flammender Wahlkämpfer für den Republikaner Abraham Lincoln, wird zu dessen Freund. Zwischenzeitlich steht jenes Multitalent als Kommandeur auf der Seite der Nordstaaten im Krieg mit dem Süden, wechselt später auch mal auf den Posten eines Zeitungschefredakteurs. Nach Deutschland, insbesondere nach Preußen, hätte sich der Ex-Revolutionär und Häftlings-Befreier nicht mehr wagen dürfen – sollte man jedenfalls meinen. Weit gefehlt. Reichskanzler Bismarck sah die Sache später gelassen.

Ach, und noch eins: Ehefrau Margarethe Schurz gründete den ersten Kindergarten der Vereinigten Staaten. Bitte merken. Man weiß ja nie, was der Jauch bei der Millionenfrage wissen will.

Armin Görtz


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